Katja begibt sich in die Höhle des Löwen. Kann das gut gehen? Mit nichts in der Hand außer ihrem Ehrenwort. Mal sehen, ob das Patrizia überzeugt
Frisches Obst, zarte Blumen, süße Parfüms – das empfing Katja, als sie durch das Portal trat. Wenn diese Leichtigkeit doch auch für Vaikar gelten würde.
Kaum hatte ihr Fuß den Teppich des luxuriösen Büros berührt, packte Katja eine eisenharte Hand und zerrte sie aus ihrem Portalring. Erschrocken fuhr Katja herum und blickte in das grimmige Gesicht der Drill. Gut gekleidet und einen Kopf größer als Katja, ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie sich zu fügen hatte.
Sie bemerkte eine weitere Bewegung neben ihnen. Normalerweise sollte sich ihr Portal jetzt schließen, da der Transport abgeschlossen und die Magie verbraucht war. Doch diesmal nicht. Eine bordeauxviolette Sneef stand dort und pumpte ihre eigene Magie in den Ring. Das war sie. Daria Cucco! Die Metzgerin! Und sie hielt den Weg direkt zu ihrer Wohnung und zu Finii offen. Ihr Magen verknotete sich. Damit mussten sie gar nicht nach Katjas Versteck suchen, sondern nutzten einfach Katjas eigenes Tor. – Verdammt –
„Die Chefin möchte, dass Du das hier trägst.“ Daria zeigte auf die freie Hand der Drill. Die hatte ein Halsband mit eingenähten Smaragden in ihrer Hand.
„Zieh es an, oder ich lass es dich schlucken.“ Knurrte die Drill und zeigte ihre schneeweißen Reißzähne.
Katja löschte ihren Schutzschild. Der Griff der Drill drückte nun ungefiltert auf ihren Oberarm und schnürte ihr den Arm ab. Schmerzen schossen ihren Arm hoch. Doch solange Katja das Halsband nicht trug, würde die Drill nicht loslassen. Sie zog das Halsband an.
Die Smaragde waren wie Eis auf heißer Haut. Sie blockierten jeden magischen Sinn. Es war wie ein Tuch über ihren Geist. Katja nahm den Äther nicht mehr wahr. Die Bindung zu ihrem Tor, abgeschnitten.
Daria kicherte und Katja wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Metzgerin zu. Nur um Katja zu zeigen, wonach Daria der Sinn stand, ließ sie Flammen um ihre Hand tanzen und schritt durchs Tor. In die Werkstatt, wo vor wenigen Minuten noch ihre Schwester und Chloe waren. Das Tor schloss sich.
Katjas Gedanken rasten. Hatten es Finii und Chloe noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht? Wie gut war Daria wirklich? Konnte sie schließende Tore aufspüren, wie es Großmagierinnen konnten?
„Komm rein, Katja!“, ertönte die Stimme von Patrizia Vaikar und riss Katja aus ihren Gedanken. Die Herrscherin des Vaikar Handels Imperiums rief sie zu Rapport.
Die Drill ließ sie endlich los und Katja stolperte ins Hauptbüro, das dem Portalraum anschloss. Die Blutorangene Sneef in sündhaft teurem Anzug und Schmuck, deutete auf den Sessel ihr gegenüber.
„Setz dich Katja, bitte.“
Katja setzte sich auf die Kante des prächtigen Blattledersessels gegenüber Patrizia Vaikar .
„Erzähl mir, was passiert ist Katja. Lass nichts aus.“
„Wir müssen erst über Frau Cucco sprechen.“ Katjas Gedanken kreisten um ihre Wohnung, um Finii, um die Metzgerin, die ihrer Schwester sehr nah war. Und ihre Schwester hatte niemanden, der sie jetzt schützen konnte, außer ihr Plan. Ein Scheiß-Plan, der ein Aufhalten ihres Portals gar nicht berücksichtigt hatte.
Patrizias Blick war wie ein Dolchstoß. …und dabei legte sie ein Stück Litschi auf einen goldenen Teller, als wäre nichts geschehen. Der Blick war nicht heimlich, sondern erhoben, stolz. Langsam niedersinkend. Mit der Spitze auf ihr Herz zielend. Doch sie sagte kein Wort. Sie erwartete ein gutes Argument und führte die Litschi mit einer goldenen Gabel zum Mund.
„Cucco sollte Chloe lebend zurückbringen! Sie hat nichts gesehen oder gehört. Und tot eskalieren die Farleys unnötig! Wo der Golem herkommt, gibt es sicher mehr.“
„Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass Chloe wirklich nichts gesehen hat, Katja.“
„Lassen Sie wenigstens meine Schwester leben!“ – Wenn sie jetzt noch da ist, wenn sie Chloe nicht weggebracht hat… Daria zerreißt sie. Nicht weil sie muss, sondern weil sie’s kann. Und ich sitze hier, im Sessel einer Mörderin und rede wie ein Schulmädchen. Verdammt, Finii… – Katja zitterte beim Gedanken an die Gefahr, in der Finii schwebte.
„Du hättest sie da nicht mit reinziehen dürfen, Katja. Es tut mir leid, aber deine Schwester ist ein ebensolches loses Ende, wie es Chloe ist.“
Das war es! Patrizia hatte Finiis und Katjas Todesurteile bereits unterzeichnet.
„Rühren Sie meine Schwester an, und ich schwör bei allem, was ich bin – ich bring den Blutschwur-Bruch und das Farley-Attentat an die richtigen Stellen! Ich weiß vielleicht nicht wie, aber ich find’s raus!“
Das war so dünn, wie ihre Stimme. Aber was hatte sie noch?
„Du weißt noch nicht wie? Mädchen du bist süß. Wenn du mein Büro nicht mehr verlässt – Was ist dann?“ Patrizia war sichtlich belustigt über Katjas Plan.
Verzweifelt packte Katja noch eins drauf: „Vidal hat die Infos und wartet nur auf ein Signal, dass es uns gut geht!“
„Du hast Herzchen erreicht? Wundert mich. Ihr Handy ist seit Stunden vom Netz getrennt. Und ihren grüngoldenen Arsch hat auch keiner gesehen.“ Patrizias Augen verengten sich zu schlitzen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, auch wenn es nur Sekunden waren, ergriff Patrizia wieder das Wort. „Also gut, Katja. Nehmen wir mal an, ich würde auf deine Erpressung eingehen. Was hast Du vor?“
„Ich will Sie nicht erpressen.“ Katja wurde es heiß und kalt. Hatte sie wirklich einen der mächtigsten Unterweltbosse gerade erpresst?
„Ich will nur meine Schwester!“
„Und? Ich gebe dir deine Schwester! Was dann?“ Patrizia rückte ihr goldenes Besteck zurecht, als wäre das gerade das wichtigste an diesem Gespräch.
„Ich…“, Katja stockte. Der Plan klang in ihrem Kopf plötzlich wie ein Kinderbuch. „Ich… bringe sie an einen sicheren Ort. Vidal vernichtet die Unterlagen – und dann sind wir raus! Nur rufen Sie BITTE ihre Magierin zurück!“
„Katja…“ Patrizias Stimme war ruhig, selbstsicher… und bedrohlich. „Lass mich dir die Lage erläutern. Chloe hatte ein Wiedersehen mit Vidal. Wir wissen wie heikel das für Chloe ist. Schließlich hat Vidal sie am Traualtar stehen lassen. Chloe wollte sich nun dafür rächen. Deine Schwester Finii ging dazwischen. Aber gegen eine echte Magierin… sind wir doch ehrlich Katja, hat deine Schwester keine Chance. Und Vidal musste gegen Chloe zum Äußersten greifen.“
„Vidal ist nicht mal in der Stadt…“ – Mist –
Patrizia sah aus, als müsste sie mit Gewalt einen Lachanfall unterdrücken. „Ach nein?“ Ihr Lachen konnte sie kaum zügeln.
„Ich… ich hab sie weggeschickt. Direkt nachdem ich ihr…“
„Lass es, Katja!“ Patrizia wurde ernst. Mit einem Wink stand die Drill an Katjas Seite und zog einen Schlagstock aus ihrer Hose. Graue Spuren waren darauf zu sehen und der metallische Geruch nach Sneefblut bereitete Katja Übelkeit. Der Knüppel hatte wohl schon für einige Sneefs das Ende bedeutet.
„Es gibt nur einen Grund, warum Du noch am Leben bist. Wo ist der Vertrag?“
„Wenn ich es ihnen sage, bin ich tot…“
„Katja…“, es klang wie eine Mutter, die ihrem Kind die Welt erklären wollte. „Du hast mir bisher gute Dienste geleistet. Die Farbengarde ist ahnungslos. Wenn Du stirbst, wirft das Fragen auf. Ich will deinen Tod nicht.“ Jetzt wurde ihre Stimme eiskalt, knurrend, beinahe drillartig. „Aber ich schwöre auf die heiligen Drei, dass ich mir von Dir nicht das Geschäft kaputt machen lasse!“
„Ich will doch nur, dass meine Schwester lebt!“
Patrizia schnaufte. „Wenn ich den Vertrag auf meinem Tisch habe, rufe ich die Magierin zurück. Nicht eher. Sollte das Telefon vorher klingeln, na dann… wie sagen die Menschen?… hast Du Pech gehabt und Daria war schneller.“
„Ich hab den Vertrag! Er ist in meinem Schuh verst…“
Das Telefon klingelte.
Alles um Katja wurde dunkel. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Finii… der Plan war doch scheiße… Was war mit Vidal? Sie konnte sich doch sonst auf ihre Freundin verlassen…
„WAS?“, brüllte Patrizia ins Telefon und riss Katja aus ihrer Trance. „Du kleine Göre wagst es, mir zu drohen?“ Patrizia lauschte weiter, legte das Gerät auf den Schreibtisch und drückte den Freisprech-Knopf.
Ein Röcheln war zu hören. Auf dem Bildschirm das geschundene Gesicht von Daria Cucco. Ein Auge zugeschwollen, die Lippe aufgeplatzt. Die Metzgerin hatte wohl eine harte Diskussion geführt und verloren. Ein flaschengrüner Arm lag um ihren Hals, Cucco konnte nur noch röcheln.
„Zeig mir Katja! Zeig mir, dass es ihr gut geht, oder du kannst dich von deinem Kartell verabschieden!“ drang Vidals Stimme über den Lautsprecher.
„Vidal? Vidal! Bei Asperih, Edtihos und Rahas, Vidal du hast es wirklich geschafft!“ Katja weinte vor Glück. Nie hatte sie sich so sehr über die Rumtreiberin gefreut wie in diesem Moment.
Jetzt kam Vidals Gesicht in die Kamera. Ihr weißes Haar klebte schweißnass an ihrer Stirn, doch sie lächelte.
„Hi Süße! Deiner Schwester geht’s…“
Ein leises Klicken – kalt wie Stahl an Katjas Schläfe. Ihre Kehle schnürte sich zu. Ohne Magie war Katja der Pistole hilflos ausgeliefert. Patrizia zielte mit einer silbernen Waffe auf Katja.
„Was jetzt Vidal? Ich habe deine – Süße –. Du meine Leibwächterin. Wie geht es jetzt weiter?“
„Patrizia. Du kannst immer noch den Kopf aus der Schlinge ziehen.“ Vidals Stimme war souverän. Als hätte sie einen Plan. Einen echten Plan. Und eine Armee an Soldatinnen hinter sich.
„Aha?“
„Finii ist noch auf meinem Boot. Chloe noch bewusstlos…“
Die Drill rannte plötzlich los und verließ das Büro. Katja verstand nicht, was das sollte. Aus dem Portalraum funkelten Regenbogenfarben, dann war die Drill verschwunden, doch der Ring blieb geöffnet.
„…wir schreiben die Geschichte neu. Der Vertrag ist ohnehin Vergangenheit. Das Blut der Tolaj ist vergossen, und der Schwur damit gelöst. Es kann dir doch egal sein…“
Der Knüppel blitzte durchs Bild, wo eben noch Vidal und Daria zu sehen waren. Dann Stille. Dann Chaos.
„Vidal! Was ist da los?“ flehte Katja.
Plötzlich krachte etwas im Portalraum gegen die Wand. Patrizia schwang herum, richtete die Waffe auf den Durchgang. Der Regenbogenring war immer noch geöffnet und die Drill und Vidal kämpften sich hindurch. Die Drill stürmte durch das Portal, ihr Knüppel wirbelte mit brutaler Wucht durch den Raum. Jeder Hieb war stark genug, Vidal mit einem Schlag zu zerschmettern. Doch Vidals Ausbildung zahlte sich aus.
Sie duckte sich unter den ersten Schwung, der eine Lampe von der Decke riss. Ein zweiter Hieb traf die Tischkante, splitterte das Holz wie Glas.
„Komm schon, du Schlampe!“ brüllte die Drill, ihre Muskeln spannten sich wie Stahlseile.
Vidal warf sich zur Seite, rollte über den Boden, glitt zwischen die Beine ihrer Gegnerin. Ein Faustschlag traf die Drill unter dem Kinn – nicht stark, aber präzise. Der Kopf ruckte zurück, das Biest taumelte für einen Herzschlag.
Sie nutzte den Moment. Vidal sprang auf, drehte sich seitlich weg, während der Knüppel knapp an ihrer Hüfte vorbeizischte. Mit der Eleganz einer Tänzerin schnellte sie nach vorn, ihre kleine Faust landete hart im Kehlkopf der Drill. Ein rasselnder Laut brach aus deren Kehle.
Doch der Körper war unaufhaltsam. Die Drill schlug blindlings zu, erwischte Vidal am Unterarm. Ein dumpfer Schmerz durchzuckte sie, aber sie hielt stand.
„Steh still, Herzchen!“ fauchte die Frau, Blut lief aus ihrem Mundwinkel.
„Träum weiter.“ Vidal spie ihr die Worte ins Gesicht, duckte sich unter dem nächsten Schlag hindurch und rammte ihre Stirn gegen den Nasenrücken der Drill. Es knackte. Schwarzes Blut spritzte. Vidal nutzte jeden Fehltritt, glitt an der Hüfte der Drill vorbei und schlug wie eine Federklinge zu – schnell, zielgenau, unerbittlich.
Katja war wie gelähmt – sie hatte so etwas noch nie gesehen: klein gegen riesig, und doch hielt Vidal stand.
Patrizia versuchte ein freies Schussfeld zu erhaschen. Sie ging um ihren Tisch herum, zielte…
Wenn jetzt nichts passierte, würde Vidal eine Kugel in den Rücken bekommen! Mit zitternden Fingern riss Katja das Halsband ab. Noch nie hatte sie Smaragde als Waffe benutzt. Jetzt wickelte sie die kalten Steine um ihre Faust und schlug nach Patrizias Waffe.
Die Smaragde zerrissen Patrizias Schild. Sie schrie, als würde ihre Haut in Flammen stehen.
Mit bebenden Händen riss Katja die Pistole an sich.
„Genug!“ schrie Katja der Drill entgegen, während Sie die Vaikar mit ihrer eigenen Waffe bedrohte.
Kaum dass die Drill aufgab, entstanden Portale in beiden Räumen. Gepanzerte Sneefs drangen ins Büro, gefolgt von Marsha Farley, dem Oberhaupt der Farley-Familie – und Chloes Fionin.
Vidals Gesicht sprach Bände. Sie hatte wirklich ein Heer an Soldatinnen hinter sich. Doch nicht zu ihrem eigenen Schutz. Und sie waren zu früh! Sie hatte die Farley-Karte ausgespielt. Aber was jetzt? Was sollte sie sagen? Die Wahrheit?
Katja ließ Pistole und Halsband fallen und hob die Hände. Sofort wurde sie zu Boden gestoßen, neben ihr landete auch Vidal – härter, als es nötig gewesen wäre wurde sie niedergestoßen.
„Hey! Muss das sein?“, keuchte Katja, doch die Soldatin reagierte nicht darauf.
„Wer ist das?“ Die sonore Stimme war eindeutig Marsha Farleys.
„Das ist …“ Vidals Stimme brach.
„Ich bin Vidals Freundin!“ rief Katja plötzlich, als hätte jemand die Worte in ihren Mund gelegt. „Und ich bin diejenige, mit der Sie sprechen sollten.“ – Wo kam das her? War das Eifersucht? Oder nur Verzweiflung?
Kampfstiefel traten in ihr Blickfeld. Mit den Fühlern sah Katja Marsha direkt in die Augen. Der Duft nach Bergamotte und Minze lag schwer in der Luft. Sie wirkte wie eine Bankerin, die nebenbei ein Überfallkommando anführte.
Marsha kniete sich hin. „Das Kindchen, das du deine Freundin nennst, ist eine Schlampe.“
„Marsha, ich … es tut mir leid …“, begann Vidal, doch die Soldatin, die sie fixierte, verpasste ihr einen Schlag.
„Deiner Freundin ist es zu verdanken, dass meine Tochter zu einer Abtrünnigen wurde.“ Marshas Stimme war kalt.
„Was?“ Katja war verwirrt. Vidals Version von der Geschichte war eine andere gewesen.
„Sie hat meine Tochter zur Drogenkocherin verführt.“
„Nein!“ keuchte Vidal, die Zähne zusammengebissen. „Das ist nicht wahr, Marsha!“
Ein Ellbogen traf sie erneut hart am Kopf.
„Aufhören!“ Katja bäumte sich auf. „Vidal hat ihr Leben riskiert, um deine Tochter zu retten!“
Marsha zog die Brauen hoch. „Ach ja? Dann erzähl mir, wie sie das geschafft haben will.“ Mit einer Geste befahl sie, Katja wieder in den Besucherstuhl zu zerren. Sie selbst nahm Platz auf der Tischkante.
Da öffneten sich zwei weitere Portale. Riesig, unübersehbar, fraßen sich ihre Regenbogenringe durch Boden und Decke. Ein Dutzend Drill-Soldatinnen trat hindurch – lackschwarze Haut, weiße Augen, Eckzähne wie Messer, Sturmgewehre und Schutzwesten voller Smaragde. Mit jeder Kämpferin zuckte das Portal bedrohlich.
„Jetzt kommt die auch noch …“ Patrizia Vaikar verzog das Gesicht.
Und Lenda Tolaj trat ein. Feinster Hosenanzug, Schutzweste darüber, lächelnd wie eine Wölfin, die gerade das Blut gerochen hatte.
„Wenn meine Urmütter aufschreien, meine Schamin Panik bekommt, sollte ich wohl mal nach dem Rechten sehen.“ Ihre Stimme schnurrte. „Und was finde ich? Meine Vertragspartnerin und die Unterhändlerin – in netter kleiner Runde vereint.“
Katja ließ den Blick durch den Raum gleiten. Sneef-Soldatinnen, Sneef-Magierinnen, Drill-Soldatinnen, Drill-Schamaninnen. Alle mit gezogenen Waffen, Zaubern auf den Lippen. Ein Funke, und das Büro wäre ein Schlachtfeld. Inmitten von allem: Vidal und sie selbst.
„Lenda, hör zu!“ Marsha knurrte. „Das ist nicht mein Werk, auch wenn es so aussieht. Meine Tochter ist selbst betroffen – sie wurde bei der Verteidigung verletzt.“
„Argh! Die Anomalie!“ Eine Schamanin deutete mit knochigen Fingern auf Vidal. Um ihre Handgelenke waberte violette Magie, die eigentlich Lenda hätte umkreisen sollen – und von Vidal verschluckt wurde.
„Sie! Nimm dich in Acht, Lenda!“
Doch Lenda lachte nur leise. „Ist schon gut. Herzchen wird mir nichts tun. Nicht wahr, Vidal? Wäre doch schade um deine Liebsten.“
Katja lief es eiskalt den Rücken hinunter. Mit Drillmagie kannte sie sich gar nicht aus. Und das Vidals Körper diese einfach aufsaugte und löschte beunruhigte wohl alle Schamaninnen im Raum.
Doch Lenda wiegelte mit einer Handbewegung alle Besorgnisse ab.
„Ich habe einen Vorschlag.“ Lenda trat in die Mitte des Raums. „Wir sind Mütter. Und nichts besiegelt Bündnisse stärker als Blut.“
„Ich weiß, worauf du hinauswillst, Lenda!“ Marsha sprang auf, ihr Arm glühte vor Magie. „Aber ich geb dir nicht meine Tochter!“
„Dafür geb ich meine Tochter auch her! Begreif es doch, du dummes Schnitzel!“ Lenda blieb ruhig, fast amüsiert.
Katja würgte bei dem Wort. Fleisch. Drills waren Fleischesserinnen – und die Legenden, dass sie einst besiegte Sneefs gefressen hätten, krochen ihr in den Nacken und ließ sie schaudern.
„Was schlägst du also vor?“ Marsha ließ die Magie abebben.
„Wir geben unsere Töchter in die Obhut der jeweils anderen.“
„Und Patrizia?“
„Ihre Henriette natürlich auch.“
„Moment mal!“ Patrizia schlug mit der Faust auf den Tisch. „Was habe ich mit eurem Vertrag zu tun—“
Ein gleichzeitiges Handzeichen von Marsha und Lenda ließ sie verstummen.
Lenda wandte sich Katja zu. Ihre weißen Augen verengten sich, dann blinzelte sie – und die weiße Bindehaut zog sich zurück. Dunkelviolette Iriden, riesige Pupillen, schwarz glänzend mit einem gefährlichen Funkeln.
„Wie heißt du, Kleine?“
„…lass sie …“ zischte Vidal, nur um wieder mit dem Kopf gegen den Boden geschlagen zu werden.
„Katja. Katja Valuran. Daiman.“ Vielleicht half der Ehrentitel.
„Daiman?“ Lenda kicherte. „Ich bin keine Uroma mit einem Dutzend überlebter Paarungskämpfe. Aber nett, dass du’s versuchst. Bumst dich das Herzchen?“
„Hör auf, Lenda!“ Vidal gab nicht auf. Weißes Blut quoll aus ihrer Nase doch der Blick war entschlossen, ungebrochen.
Katja sah in die ungeschützten Augen Lendas und zwang sich zu nicken.
„Wunderbar.“ Lenda breitete die Arme aus. „Henriette geht in Marshas Obhut, Chloe in meine, Dritu in Patrizias. Und du, kleines braunes Schnitzelchen … wirst mir gehören.“
„Auf keinen Fall, Lenda!“ Patrizia und Marsha fuhren gleichzeitig dazwischen.
Katja spürte, wie Vidal unter der Last der Soldatin keuchte, während sie sich mit all ihrer Kraft gegen die Soldatin in ihrem Rücken aufbäumte. Doch vergeblich.
„Aufhören!“ schrie Katja, ehe sie begriff, was sie da tat. „Ich unterstelle mich Frau Vaikar – wenn Sie mir garantieren, dass meine Schwester sicher ist!“
Marsha nickte knapp. „Ich werde auf sie aufpassen.“
„Moment.“ Lenda verschränkte die Arme. „Und was habe ich dann gegen unser Herzchen in der Hand? Wo bleibt mein Pfand?“
Na der Plan war doch mal richtig gut durchdacht. Oder wie nennt man es, wenn alles von Glück abhängt? Die Situation scheint gesichert zu sein. Zumindest fliegen keine Kugeln durch den Raum. Schauen wir nächsten Sonntag, wie Katja mit der neuen Situation zurecht kommt.
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